Stadtspaziergang

Station 8 - Care-Arbeit

Städte verstärken traditionelle Rollen- und Familienbilder – warum sie das tun, erfährst du an dieser Station. Wir sprechen außerdem über Care-Arbeit, die noch immer vorrangig von Frauen übernommen wird. Denn Care-Arbeit leistende Personen werden im besonders öffentlichen Raum benachteiligt.

Erklärungen zu Fachbegriffen, die wir verwenden, findest du in unserem Glossar.

 

Luisenpark

Text zum Mitlesen

Wir schauen hier auf Wuppertal hinunter. Im Winter sieht man von hier aus auch die Schwebebahn. An dieser Stelle wollen wir über den Aufbau der Städte und den öffentlichen Nahverkehr sprechen. Beide diskriminieren in ihrer aktuellen Form Care-Arbeit leistende Personen und darüber müssen wir sprechen!

Aber, was ist Care-Arbeit eigentlich?

Care-Arbeit beschreibt die Arbeit, die mit der Pflege von Kindern, der Haushaltsführung und der Betreuung von Angehörigen verbunden ist, dazu zählt zum Beispiel auch Einkaufen und die Namen der Lehrer*innen der Kinder oder ihren Stundenplan zu kennen. Diese Arbeit ist in der Regel unbezahlt und wird oft nicht angemessen anerkannt. Personen, die Care-Arbeit leisten, werden häufig unterschätzt und ihre Leistungen werden nicht respektiert. Da diese Entlohnung und Anerkennung fehlt, sind Care-Arbeit leistende Personen oft von Altersarmut betroffen und finanziell von ihrer Familie abhängig.

Traditionell wird Care-Arbeit vor allem von Frauen geleistet, und das ist auch heute noch oft der Fall. Statistiken zeigen, dass Frauen im Jahr 2022 durchschnittlich 14,6 Monate Elternzeit beantragt haben, während Männer nur durchschnittlich 3,6 Monate Elternzeit genommen haben. Aktuell verbringen Männer pro Woche knapp 21 Stunden und Frauen knapp 30 Stunden mit unbezahlter Care-Arbeit. Diese Unterschiede lassen sich zum Teil auf die Sozialisierung zurückführen, die Mädchen oft dazu ermutigt, sich um andere zu kümmern, während Jungen eher ermutigt werden, sich auf ihre Karriere zu konzentrieren.

Aber was hat Care-Arbeit mit unseren Städten und dem öffentlichen Raum zu tun?

In der Nachkriegszeit und mit dem Wiederaufbau wurden Vorstädte populär – große, alleinstehende Häuser, die vom öffentlichen Verkehr und anderen Dienstleistungen abgeschnitten sind und von heteronormativen Familien, also erwerbstätigem Vater, Hausfrau und Kindern, bewohnt werden.

Diese Gestaltung der Vorstädte führte dazu, dass Frauen oft zu Vollzeithaushälterinnen wurden. Die feministische Städteplanerin Sherilyn MacGregor stellt fest, dass diese Bauweise „eine dauerhafte Infrastruktur für die [geschlechtsspezifische] Arbeitsteilung geschaffen“ hat, die die traditionelle heterosexuelle Kleinfamilie voraussetzt.

Die Städteplanerin Jane Jacobs hinterfragte in den frühen 1960er Jahren den vorherrschenden Gedanken, dass Vororte gute Orte für Frauen und Kinder seien. Sie wies auf die Isolation, den Mangel an Menschen auf den Straßen und die Abhängigkeit vom Auto hin, die insbesondere Frauen betreffen und kaum öffentlichen Raum bieten. Fernsehserien wie „Desperate Housewives“ und „Weeds“ parodieren das Vorstadtleben und die Probleme der dort lebenden Hausfrauen, die jedoch auch in der Realität vorhanden sind.

Care-Arbeit leistende Personen haben keine Lobby und sind selten in Entscheidungspositionen vertreten. Somit bleibt der öffentliche Raum oft ungeeignet für die Bedürfnisse von Personen, die Care-Arbeit leisten.

Wir haben hier (fast) einen Blick auf die Schwebebahn. Deswegen wollen wir noch kurz darüber sprechen, wie der öffentliche Nahverkehr gestaltet ist. Diesen haben in unserer Ausstellung nämlich sehr viele Teilnehmer*innen als kaum mit Care-Arbeit vereinbar beschrieben.

Die Funktionstrennung der Städte, also Flächen nach ihren Daseinsfunktionen, wie Wohnraum, Gewerbe- und Industrieflächen oder Handel aufzuteilen, führt zu einer erhöhten Belastung Care-Arbeit leistender Personen. Denn die meisten öffentlichen Transportsysteme sind so gestaltet, dass sie den typischen Arbeitsweg eines pendelnden Büroangestellten zur Hauptverkehrszeit erleichtern. Zu Stoßzeiten in die Stadt hinein und wieder herauszufahren wird durch Schnellbahnen und vermehrte Einsätze von Verkehrsmitteln erleichtert. Das System basiert auf einer linearen Fahrt ohne Umwege oder Zwischenstopps, was für den traditionell männlichen Pendler gut funktioniert hat.

Allerdings zeigen Untersuchungen, dass die Pendler strecken von Care-Arbeit leistenden Personen oft komplexer sind und die sich überlagernden Pflichten von bezahlter und unbezahlter Arbeit widerspiegeln.

Viele Nahverkehrsbetriebe berechnen zusätzliche Gebühren für unterbrochene Fahrten, was zu zusätzlichen Kosten führt. In Wuppertal sind die Fahrscheine so ausgelegt, dass Fahrten zumindest kurzzeitig unterbrochen werden können. Dennoch haben Untersuchungen ergeben, dass Frauen im Transportwesen eine "pink tax" zahlen, also für dieselben Dienstleistungen mehr bezahlen als Männer. In Städten wie New York zahlen Frauen, die sich hauptsächlich um die Kinderbetreuung kümmern, bis zu 76 Dollar mehr im Monat für die Beförderung.

Zusätzlich ist der öffentliche Nahverkehr oft nicht barrierefrei, auch nicht in Wuppertal. Personen, die mit einem Kinderwagen oder Rollstuhl unterwegs sind, stoßen auf Barrieren, die ihre Mobilität einschränken.

Laufe nun zurück zum Weg und gehe die Treppe bis zum Deweerthschen Garten, dem Park am Ende der Treppe, hinunter. Dort findest du die nächste Station zum Thema Sicherheit.