Stadtspaziergang

Station 11 - Sichtbarkeit

Wer ist im öffentlichen Raum sichtbar? Trotz ihrer bedeutenden Beiträge bleiben FLINTA* Personen oft unsichtbar oder werden vergessen, während die Leistungen von Männern überdurchschnittlich viel Anerkennung erhalten. Wir zeigen auf, wie sich dies in der Benennung von Straßen widerspiegelt und warum es wichtig ist, diese Ungleichheiten zu beheben.

Erklärungen zu Fachbegriffen, die wir verwenden, findest du in unserem Glossar.

 

Laurentiusplatz

Text zum Mitlesen

Neben dem Namen und dem Geburtsdatum ist auch die Adresse ein Identitätsmerkmal und jedes Grundschulkind kennt die eigene bereits. Vielleicht hast du während des Spaziergangs ja auch auf die Straßennamen geachtet und die Strichliste auf dem Laufzettel mitgeführt, nach wem oder was die Straßen und Plätze, an denen wir vorbeigekommen sind, benannt wurden.

Du bist hauptsächlich an Straßen und Plätzen vorbeigelaufen, die geschlechterneutral benannt sind wie die Kasinostraße oder die Bergstraße. Du bist aber auch an 2 Straßen vorbeigekommen, die nach Frauen und an 3, die nach Männern benannt wurden. Wenn du Lust hast, kannst du die Liste später auf deinem Nachhauseweg fortführen und schauen, ob sich das Verhältnis verändert. Die Zahlen passen nämlich nicht zu den Durchschnittswerten von ganz Wuppertal. Hier sind zwar viele Straßen neutral benannt, die Ehrungen von Männern überwiegen den von Frauen allerdings deutlich.

Im Laufe der Geschichte hat sich die Benennung der Straßennamen verändert. Nachdem lange Zeit Straßen nach Handwerkszünften wie eine Schustergasse oder nach Zielrichtungen wie eine Leipziger Straße benannt waren, wurden ab dem 18. Jahrhundert immer mehr Straßen nach Persönlichkeiten benannt. Zu Zeiten des Nationalsozialismus wurden die Umbenennung von Straßen aus Propagandazwecken durchgeführt. In den 1970ern wurde die Thematik weiter aufgearbeitet und die Straßennamen gedenken nun Opfern und Gegnern der Gewaltherrschaft. Außerdem wurden Viertel nach Mottos wie nach Dichtern oder etwa nach Planeten benannt. Da Frauen in der Benennung der Straßennamen stark unterrepräsentiert sind, gibt es immer mehr Ansätze, die diese Ungleichheiten beheben sollen.

In dem Wiener Stadtentwicklungsprojekt Seestadt Aspern wurden alle Straßen weiblich benannt, wodurch der Anteil von Frauennamen in Wien von nur 5 auf 7 Prozent gesteigert werden konnte. Auch in Wuppertal gibt es Initiativen, die diese Ungleichheit beheben wollen, wie die WUPPERFRAUEN, die sich dafür einsetzen, dass Wuppertaler Frauen aus den verschiedensten Bereichen benannt und mit ihren Geschichten sichtbar gemacht werden. Die Zahlen der WUPPERFRAUEN sprechen eine klare Sprache: Von insgesamt 2.162 Straßen, Plätzen und Treppen in Wuppertal sind nur 3,1 % nach Frauen benannt, wovon wiederum 0,97 % bekannten oder berühmten Frauen gewidmet sind – also 21. Sogar nach Vögeln wurden mehr Straßen benannt – nämlich 27. Im Gegensatz dazu sind ca. 27 % der Straßennamen nach Männern benannt, wobei ca. 22 % dieser Männer berühmt sind.

Hier auch noch ein kurzer Hinweis: Wen denkst du, soll die Schillerstraße ehren? Wahrscheinlich musstest du hier auch an den berühmten Dichter und Denker Friedrich Schiller denken. Von diesen Straßen gibt es in Deutschland über 2000 Stück. Es gibt viele Straßennamen, die nach einem Nachnamen benannt sind. Manchmal ist unter dem Straßennamen ein Schild angebracht, das aufklären kann und genaueres zur Person, die geehrt wurde, beschreibt.

Das Thema Sichtbarkeit ist natürlich eng mit dem Thema Erinnerungskultur der vorherigen Station verknüpft. Es gibt sehr viele FLINTA* Personen, die wichtige Erfindungen gemacht haben, die die Welt erforscht und sich für wichtige Themen eingesetzt haben. Doch viele von ihnen werden und wurden aktiv unsichtbar gemacht oder vergessen. Stattdessen werden die Leistungen von Männern teilweise überdurchschnittlich viel geehrt. Aber FLINTA* Personen haben es genau so sehr verdient Role Models zu sein oder solche Vorbilder zu haben, denen sie nacheifern können. Bislang mangelt es jedoch noch in vielen Themenbereichen an der Anerkennung ihrer Arbeit im Kleinen und im Großen, von der Care-Arbeit bis hin zur Entwicklung des ersten Computerprogramms.

Zum Thema Sichtbarkeit gehören darüber hinaus auch Fragen wie: „Wer bewegt sich im öffentlichen Raum und welche Personen sind somit im öffentlichen Raum sichtbar?“. Wir haben ja bereits an unseren vorherigen Stationen beschrieben, dass FLINTA* öffentliche Räume viel weniger einnehmen und nutzen als Männern dies tun und somit häufig im privaten oder halböffentlichen bleiben.

Das Thema Stadtgestaltung umfasst die Planung, Entwicklung und Verwaltung von Städten, wobei verschiedene Aspekte wie Architektur, Infrastruktur und Umweltschutz berücksichtigt werden. Es geht uns allerdings nicht nur um Stadtplanung, sondern auch um politische Entscheidungen und das Handeln jedes Menschen, um die Lebensqualität in Städten zu verbessern.

Wir möchten auf bestehende Probleme aufmerksam machen, dich dazu ermutigen, dich aus bestehenden Strukturen heraus zu bewegen, dich für deine Rechte einzusetzen und den öffentlichen Raum mit einzunehmen. Natürlich ist dieser Stadtsapziergang nicht vollständig. Er lässt sich auf verschiedene Orte in Wuppertal übertragen und durch viele Thematiken und Details ergänzen. In Wuppertal gibt es viele tolle Orte und Initiativen, die sich für FLINTA* Personen einsetzen und sich über euer Kommen und euer Engagement freuen. Wie bereits erwähnt haben wir in unserem vorherigen Projekt, eine queer-feministische Stadtkarte von Wuppertal entwickelt, die genau diese tollen Orte aufzeigen sollte. Du kannst dir die Stadtkarte online auf unserer Webseite unter dem Reiter Stadtkaleidoskop downloaden. Für mehr Einblicke in die Thematik können wir dir zum Beispiel das Buch Feminist City von Leslie Kern empfehlen.

Wir hoffen, dass wir dich zum Nachdenken und Hinterfragen bestehender Strukturen anregen konnten und du Wuppertal jetzt aus einem anderen Blickwinkel betrachten kannst.

Wir möchten uns weiterentwickeln und uns noch tiefer in die Thematik reinarbeiten und freuen uns über Anregungen von dir. Schreib uns gerne auf Instagram an @queeringthecity_wuppertal oder per Mail an empowerment.wuppertal@gmail.com.

Du hast ein Interesse an der Thematik und hast Lust etwas zu verändern? Im November planen wir Workshops, die sich noch tiefergreifend mit der Thematik gendergerechte Stadt auseinandersetzen. Folge uns auf Instagram oder melde dich über unsere Webseite zu unserem Newsletter an, um auf dem neusten Stand zu bleiben. Wir freuen uns, wenn du dabei bist.

Vielen Dank fürs Zuhören und vielleicht bis zum nächsten Mal! Deine Kira und Anna