Stadtspaziergang

Station 6 - Architektur

An dieser Station sprechen wir darüber, warum Frauen in der Architektur oft im Schatten stehen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben! Wir stellen dir die Initiative „Baulöwinnen“ vor, sprechen über Gender-Mainstreaming und die Wuppertaler Bürgerbeteiligung.

Erklärungen zu Fachbegriffen, die wir verwenden, findest du in unserem Glossar.

 

Ottenbrucher Str. 22

Text zum Mitlesen

Wir stellen uns die Frage: Wer gestaltet eigentlich die Stadt?

Lauf die Straße hinauf und schau auf die Stadt. Wir sehen von hier aus einige der bekanntesten Gebäude Wuppertals. Zum Beispiel den Sparkassenturm – der weiße hohe Turm mit dem dünnen Sockel. Er wurde von dem bekannten Architekten Paul Schneider-Esleben erbaut. Direkt daneben steht das zweithöchste Gebäude Wuppertals, das Glanzstoff-Hochhaus, geplant von Hanns Dustmann.

Läufst du etwas weiter, siehst du die Schwimmoper – das Gebäude mit dem gebogenen Dach. Erbaut wurde es von Friedrich Hetzelt.

Was fällt dir auf, wenn ich diese Namen nenne? Richtig, es sind keine Frauen dabei. Stelle dir einmal die Frage: Welche bekannten weiblichen Architektinnen kennst du? Und welche Gebäude haben sie geplant?

Vermutlich wird dir die Antwort auf die Frage schwerfallen, aber vielleicht hast du schon einmal von Eileen Gray gehört, die als die erste Architektin gilt oder von Denise Scott-Brown, die das 9/11 Memorial in New York geplant hat. Am bekanntesten ist wohl Zaha Hadid, die als erste Frau den Pritzker-Preis – einen wichtigen Architektur-Preis – gewonnen hat. So viel Glück hatte Denise Scott Brown nicht, denn ihr Preis ging an ihren Co-Autoren Robert Venturi. Insgesamt haben den Pritzker Preis in 46 Jahren bis heute nur 6 Frauen erhalten.

Wikipedia führt eine Liste bekannter Architekt*innen, die bis zum 20. Jahrhundert keine Frau enthält – das wundert erst einmal nicht. Doch auch in der Auflistung für das 20. und 21. Jahrhundert sieht nicht viel besser aus. Hier sind lediglich 4 % Frauen genannt.

All diesen Zahlen steht eine Ausbildungsquote von über 60 % weiblichen Studierenden in der Architektur gegenüber – auch hier in Wuppertal! Die Frauenanteile sinken jedoch, je höher der akademische Abschluss ist.

Das liegt daran, dass die Branche, aber eigentlich auch das gesamte Berufsleben vorrangig „männerfreundlich“ ist. Eine Familie zu haben ist oft ein Hindernis im Berufsleben, da wenig Rücksicht auf Vereinbarkeit und andere zu leistende Care-Arbeit genommen wird. Vorurteile gegenüber Frauen zum Beispiel, dass sie für einen solchen technischen Beruf nicht geeignet seien, gibt es auch heute noch. Ein weiterer Grund ist der Thomas-Kreislauf: Thomas ist Führungskraft und befördert am liebsten Menschen, die genauso sind wie er: männlich, Mitte 50, Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieur, in Westdeutschland geboren. So kommt es zu Reproduktionen der immer gleichen Führungs – wörtlich – Mannschaften. Frauen haben da kaum eine Chance. Thomas ist dabei nur ein Beispielname: So gibt es zum Beispiel mehr Vorstandsvorsitzende, die Christian heißen, als weibliche Vorstandsvorsitzende in Dax-Konzernen.

Diesem Verschwinden der Frauen entgegenzuwirken, hat sich die Initiative „Baulöwinnen“ der Fakultät für Architektur und Bauingenieurswesen vorgenommen.

Die Baulöwinnen arbeiten gerade an einer Ausstellung zu Frauen im Berufsleben in genau diesen Berufen. Vorgestellt wird diese an einem Aktionstag am 19. Juni 2024 am Campus Haspel. An diesem Tag sind Speakerinnen eingeladen und es gibt Workshops – zum Beispiel von uns, zu geschlechtergerechter Stadtgestaltung.

Diese ungleiche Geschlechterverteilung führt jedoch nicht nur dazu, dass nicht-männlichen Personen in ihrer Karriere Steine in den Weg gelegt werden, sondern auch dazu, dass die Gestaltung an sich, nicht die Bedürfnisse aller berücksichtigt. Es wird ebenso gebaut, dass die Bedürfnisse der gestaltenden Person erfüllt werden. Dass andere Geschlechter, aber zum Beispiel auch Menschen mit Behinderungen etc. andere Bedürfnisse haben wird dabei oft vernachlässigt.

Gender-Mainstreaming bezeichnet die Verpflichtung, bei allen Entscheidungen die unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen – im Idealfall alle Geschlechter – in den Blick zu nehmen. Die EU hat sich in ihrer Arbeitsweise zu Gender-Mainstreaming verpflichtet und auch der Wuppertaler Rat hat die Umsetzung der Verpflichtung beschlossen. Das ist ein guter Ansatz – doch das Mitdenken der benachteiligten Personen reicht oft nicht aus. Da die Diskriminierung an vielen Stellen nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Es ist wichtig, dass auch nicht-männliche Personen die Möglichkeit haben, bedeutende Projekte zu gestalten und dass geschlechtergerechte Gestaltung auch an Universitäten und Hochschulen gelehrt wird. Beteiligungsformate im Planungsprozess können helfen, diversere Perspektiven in die Gestaltung einzubeziehen.

Und da kommst du ins Spiel:

Denn, wenn es Beteiligungsprozesse gibt, beteiligen sich dort eher männliche Personen. Das kann daran liegen, dass sie es gewohnt sind, für ihre Meinung und ihre Bedürfnisse einzustehen, aber auch daran, dass es Hürden für andere Geschlechter gibt, an einem solchen Prozess teilzunehmen.

Die Bürgerbeteiligung in Wuppertal versucht, diese Hürden abzubauen, indem oft eine Kinderbetreuung angeboten wird, oder es niederschwellige, zum Beispiel digitale Angebote gibt. Wir wollen mit unserem Spaziergang dazu anregen, dass du dich aktiv für deine Stadt einsetzt und für deine Wünsche und Bedürfnisse einstehst – ein Anfang wäre zum Beispiel die Teilnahme an einem Beteiligungsformat.

Die Architektur und das Bauingenieurwesen sind natürlich nicht die einzigen Bereiche der Stadtgestaltung, in denen der männliche Einfluss überwiegt. Diese beiden Bereiche kannst du als Beispiele betrachten.

Wir gehen nun die Straße weiter hinauf. Die nächste Station findest du am Ende der Straße, vor der Abbiegung. An der nächsten Station geht es um Toiletten.