Stadtspaziergang

Station 7 - Toiletten

Öffentliche Toiletten sind mehr als nur Orte der Notdurft. Sie spiegeln gesellschaftliche Normen und Ungleichheiten wider. Von der Verfügbarkeit bis zur Sicherheit gibt es viele Herausforderungen, denen sich insbesondere marginalisierte Gruppen gegenübersehen.

Erklärungen zu Fachbegriffen, die wir verwenden, findest du in unserem Glossar.

 

Ottenbrucher Straße 34

Text zum Mitlesen

Du befindest dich oben auf dem Berg am Rande des Luisenparks und des Wohngebiets. Was würdest du hier und jetzt tun, wenn du auf Toilette gehen müsstest?

Egal, welche Antwort du auf diese Frage gibst, zeigen sich bereits viele gesellschaftliche und städtische Probleme. In der Thematik öffentlicher Toiletten spiegeln sich nämlich viele gesellschaftliche Normen und Ungleichheiten wider.

Die nächste öffentliche Toilette befindet sich in 6 Min. Fußweg am Dewertschen Garten, allerdings ist diese temporär und online nicht verzeichnet. Die nächste verzeichnete Toilette befindet sich in 10 Min. Fußweg auf dem Laurentiusplatz. Sie ist zeitlich beschränkt nutzbar und gehört nicht zu den stillen Örtchen, die man gerne besucht. Weiter in Richtung Westen entlang der Wupper ist tatsächlich die nächste verzeichnete öffentliche Toilette am Zoo/Stadion. Bei der Onlinerecherche findet man weniger als 10 öffentliche Toiletten in Wuppertal. Auch wenn die Suche in Nähe der Innenstadt einfacher ist – auch weil man auf hier einfacher auf den halböffentlichen Bereich wie Cafés ausweichen kann – ist die Anzahl der öffentlichen Toiletten nicht ausreichend.

Während unserer Ausstellung am 8. März und auch darüber hinaus haben wir Meinungen gesammelt, um herauszufinden, mit welchen Problematiken FLINTA* in der Stadt konfrontiert sind. FLINTA* Personen schreiben beispielsweise, dass es zu wenig öffentliche Toiletten gibt, dass diese nicht für all gender ausgelegt sind oder dass öffentliches Urinieren nur bei Menschen mit Penis geduldet wird.

Ich werde gleich auf verschiedene Oberbegriffe, die bei der Thematik öffentliche Toiletten zur Sprache kommen, eingehen und die Problematik erklären.

VERFÜGBARKEIT
Die Problematik der Verfügbarkeit ist insbesondere verheerender, wenn man sie unter dem Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit betrachtet. Während im Männer-WC auf 20 m² Platz für zwei Sitzklos und sechs Urinalplätze sind, finden sich im Frauen-WC häufig nur vier Sitzklos. Zusätzlich ist die Benutzung von Sitzklos oft kostenpflichtig, im Gegensatz zu den kostenlosen Urinalen. Hinzu kommt auch noch ein tageszeitlicher Unterschied. Häufig gibt es abendliche Schließzeiten von Angeboten, was hauptsächlich für Personen ohne Penis dazu führt, dass sie lange suchen müssen, um einen geschützten Raum zu finden.

STEREOTYPE
Ich habe ja gerade schon die Begriffe Männer-WC und Frauen-WC verwendet. Im Gegensatz zu den Toiletten zu Hause sind öffentliche Toiletten meist streng nach dem binären Geschlechtersystem in männlich und weiblich unterteilt. Diese Aufteilung spiegelt Geschlechterstereotype wider. Die strikte Trennung wird nur im öffentlichen Raum umgesetzt und tabuisiert dort das Betreten einer Toilette, die nicht dem zugeschriebenen Geschlecht entspricht. Eine nichtbinäre Person schilderte uns auf die Frage, in welcher Situation die Person sich aufgrund des Geschlechts benachteiligt oder diskriminiert gefühlt hat folgende Situation: Als ich in einer eigentlich linken und fortschrittlichen Kneipe als offen und dem Barkeeper bekannte non-binäre Person laut darauf angesprochen wurde, dass ich „trotzdem“ das richtige Klo benutzen muss.

PATRIARCHALE PRÄGUNGEN
Die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen beim öffentlichen Urinieren (Akzeptanz bei männlich gelesenen Personen und Tabuisierung bei weiblich gelesenen Personen) verstärkt geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Toilettennutzung und beeinflusst, wie wir über Körperlichkeit und Privatheit denken.

ÖFFENTLICH VS. PRIVAT
Weiblich gelesene Personen erfahren eine stärkere Tabuisierung und Privatisierung ihrer Körper (-bedürfnisse). Das ist ein Problem, das historisch gewachsen ist. Im Viktorianischen Zeitalter Großbritanniens erschwerte ein systematischer Mangel an Frauentoiletten, insbesondere Arbeiterinnen, den Zugang zur „Stadt des Mannes“. Die Mobilität von weiblich gelesenen und queeren Personen wird durch zu wenige Toiletten eingeschränkt. „Potty Privileging“ beschreibt die Art und Weise, in der öffentlichen Toiletten bestimmte Teile der Gesellschaft diskriminieren.

SICHERHEIT
Besonders für marginalisierte Personen sind öffentliche Toiletten Orte der Unsicherheit. Abgelegene Standorte, schlechte Beleuchtung und verwinkelte Räume können das Risiko von Belästigungen und Übergriffen erhöhen. Auch die Suche nach einem geschützten Ort zum Urinieren macht marginalisierte Gruppen besonders anfällig für Gewalt.

WARTEZEIT UND GESUNDHEITSRISIKEN
Ein weiteres Thema, das oft nur belächelt wird, sind die Schlangen vor den Frauentoiletten. Neben den wenigen Toiletten, die auf Frauentoiletten zur Verfügung stehen, benötigen weiblich gelesene Personen aufgrund enger Kabinen und der Verwendung von Menstruationsartikeln im Durchschnitt mehr Zeit. Diese Unterschiede tragen nicht nur zu längeren Wartezeiten bei, sondern bergen auch Gesundheitsrisiken. Die Angst vor Infektionen führt dazu, dass viele Frauen in einer ungesunden Hockstellung urinieren. Da in dieser Position die Blase nicht vollständig entleert wird, kann dies z.B. zu Blasenentzündungen führen.

Durch öffentliche Toiletten werden bestimmte Teile der Gesellschaft benachteiligt und (weiter) diskriminiert.

Das Thema öffentliche Toiletten hat auch Überschneidungspunkte zum Thema Care-Arbeit. Wickelmöglichkeiten sind nämlich meist in den Frauentoiletten angesiedelt, wodurch diese Aufgabe in der Öffentlichkeit automatisch nur den weiblich gelesenen Personen zugeschrieben wird. Mehr zum Thema Care-Arbeit erfahrt ihr bei der Station 8. Nehmt dafür jetzt den Weg durch den Luisenpark nach unten in Richtung Deweertscher Garten.